Die Plastikwende – Aus Müll wird Bioplastik

Nachgehört & zusammengefasst aus dem SWR-Podcast „Das Wissen – Die Plastikwende: Wie kann Kunststoff nachhaltig werden?“ mit Chemiker Dr. Manuel Häußler (Max-Planck-Institut/CTC, Gründer von EvoLoop).


1 | Warum wir Plastik neu denken müssen

Plastik ist leicht, robust und extrem günstig – genau deshalb erobert es jedes Marktsegment. Doch das eigentliche Problem liegt am Lebensende: Weltweit werden riesige Mengen immer noch deponiert, in die Umwelt gekippt oder verbrannt. Selbst in Deutschlands vorbildlichem System landen zwei Drittel aller gesammelten Kunststoffe in der „energetischen Verwertung“, sprich im Ofen – nur rund ein Drittel wird stofflich recycelt .

Mikroplastik verschärft die Lage: Es findet sich inzwischen in Arktis-Eis, Muttermilch und sogar im Gehirn – weil herkömmliche Polymere nicht abgebaut werden .


2 | Vier Muss-Kriterien laut Dr. Häußler

Der „ideale Kunststoff“ muss nach Ansicht des Forschers vier Eigenschaften gleichzeitig erfüllen :

  1. Performant – also mechanisch vielseitig wie heutiges PE oder PP.
  2. Billig – sonst setzt ihn niemand ein .
  3. Recycelbar – mit hochwertigem Kreislauf ohne Downcycling.
  4. Biologisch abbaubar – damit unvermeidbares Mikroplastik keinen Schaden anrichtet.

3 | Grenzen des mechanischen Recyclings

Selbst mit besserem Sortier- und Verpackungsdesign stößt klassisches Recycling an physikalische Grenzen:

  • Polymere altern; nach drei bis vier Schmelzzyklen sinkt die Qualität stark .
  • Komplexe Verbund- oder Farb­systeme lassen sich kaum sortenrein trennen .

4 | Chemisches Redesign: „Sollbruchstellen“ im Polymer

Häußlers Ansatz: Polyethylen 2.0 – ein Molekül, das fast wie klassisches PE aussieht, aber gezielt eingebaute Ester-Bruchstellen besitzt.

  • Diese biomimetischen Links werden von Enzymen erkannt und spalten die Kette genau dort .
  • In der Aufarbeitung lässt sich das „Wollknäuel“ Kunststoff mit wenig Energie in handliche Fragmente zerschneiden; Additive oder Farbstoffe können anschließend herausgewaschen werden .
  • Beispiel: Aus knallblauen Reinigungsflaschen entsteht wieder farbloses Granulat, das beliebig neu eingefärbt werden kann – heute unmöglich .

Das Besondere: Das Team nutzt Abfall-Polyethylen als Rohstoff und baut die Bruchstellen nachträglich ein. Billiges Material, kaum neues Erdöl – so entsteht Preisparität ohne „Green Premium“ .


5 | Vom Labor in die Praxis

  • EvoLoop will 2026 die ersten Produkte in nischen­starken Anwendungen (z. B. hochwertige Konsum­güter) ausliefern .
  • Parallel baut das Center for the Transformation of Chemistry (CTC) in Mitteldeutschland Pilot- und Demo­anlagen auf, um rasch Skaleneffekte zu erreichen .

6 | Was bedeutet das für Flexpack-Profis?

HandlungsfeldKonkrete To-dos für Innoform-Partner
Design for ChemCycleMonomaterial-Folien mit definiertem Sauerstoff-Index testen; Farbstoffe und Additive auf enzymatische Abtrennbarkeit prüfen.
Feedstock-PartnerschaftenFrühzeitig Lieferketten mit Chem-Recycler/EvoLoop aufbauen, um PE-Abfallströme als Wertstoff zu monetarisieren.
Mikroplastik-SicherheitProdukte auf Bioabbaubarkeit der Partikel validieren (z. B. OECD-Tests); Claims klar kommunizieren.
RegulatorikEU-Quote von >30 % Rezyklat bis 2030 im Blick behalten; Mass-Balance-Zertifizierungen vorbereiten.

7 | Fazit

Die Diskussion zeigt: Recycling oder Bioabbau reicht nicht – wir brauchen beides in einem Material. Genau daran arbeitet Häußlers Team mit seiner „Polyethylen-Evolution“. Für die Verpackungsbranche bedeutet das:

  • Jetzt Pilot­projekte starten, um Prozesse und Maschinen kompatibel zu machen.
  • Markt­kommunikation anpassen – Mehrwert liegt nicht nur im CO₂-Fußabdruck, sondern in der kombinierten Mikroplastik-Sicherheit.
  • Mut zur Transformation zahlt sich aus: Wer früh einsteigt, sichert sich Rohstoff­ströme und Marken­vorteile.

Die Plastikwende ist machbar – wenn wir Performance, Preis und Kreislauf gleichzeitig denken. Packen wir’s an!

Die Originalfolge: Das Wissen“, SWR, veröffentlicht am 1. Juni 2025:

https://www.swr.de/swrkultur/programm/podcast-swr-das-wissen-102.html?mediaId=fd740fe3-6a43-3abb-bf3a-8899c37c3fd9&

Dr. Manuel Häußler ist ein deutscher Chemiker, der sich auf die Entwicklung nachhaltiger Kunststoffe spezialisiert hat. Er promovierte an der Universität Konstanz mit einer Arbeit über vollständig recycelbare Kunststoffe auf Pflanzenölbasis. Für seine Dissertation wurde er 2022 mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung ausgezeichnet. (campus.uni-konstanz.de)

Im März 2023 übernahm Häußler die Leitung der Arbeitsgruppe „Circular Chemical Concepts“ am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Zudem ist er Gruppenleiter am Center for the Transformation of Chemistry (CTC) in Mitteldeutschland und Mitgründer sowie Co-CEO des Start-ups aevoloop GmbH. (LinkedIn, imw.fraunhofer.de)

Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung innovativer Recyclingverfahren, die konventionelle Kunststoffabfälle in hochwertige, vollständig recycelbare Materialien umwandeln. Ein Beispiel dafür ist das Projekt „SymbioLoop“, das eine biotechnologische Verwertung von Abfällen durch eine Co-Kultur aus Algen und Hefen erforscht. (campus.uni-konstanz.de, transforming-chemistry.org)

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