Die Nachfrage nach Kunststoffen aus Rezyklaten steigt – getrieben von politischen Vorgaben, unternehmerischen Nachhaltigkeitszielen und wachsender Sensibilität entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Gleichzeitig erleben wir einen tiefgreifenden Wandel der Materialströme, der Recyclingprozesse und der regulatorischen Rahmenbedingungen.
Im Webseminar „Rezyklate und Recyclingprozesse im Wandel – Materialströme, Qualität und regulatorische Weichenstellungen“ haben wir diese Entwicklungen aus der Perspektive von Verpackungsherstellern, Markenartiklern und Recyclern beleuchtet. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
1. Materialströme im Wandel: vom heterogenen Abfall zur gezielten Rohstoffquelle
1.1 Vom „Reststoff“ zu strategischem Rohstoff
Kunststoffabfälle wurden lange Zeit eher als „Entsorgungsproblem“ gesehen. Heute werden sie zunehmend als Rohstoffquelle verstanden. Das verändert den Blick auf:
- Sammelsysteme (LVP/DSD, Gewerbeabfälle, Industrieabfälle)
- Sortiertechnologien (NIR, Dichteseparation, mechanische Aufbereitung)
- Output-Fraktionen (PP, PE, PET, starr vs. flexibel, farblich getrennt)
Entscheidend ist, dass die Materialströme deutlich differenzierter gesteuert werden müssen: Statt „bunt gemischtem“ Input benötigen Recycler möglichst sortenreine und definierte Ströme, wenn sie Rezyklate für hochwertige Anwendungen – insbesondere im Verpackungsbereich – bereitstellen sollen.
1.2 Starre vs. flexible Verpackungen
Im Webseminar wurde deutlich:
- Starre Verpackungen (Flaschen, Blasformteile, Spritzgussteile) sind in vielen Ländern besser erfasst und sortiert. Hier existieren seit Jahren etablierte Rezyklatströme, insbesondere im PET-Bereich.
- Flexible Verpackungen (Folien, Beutel, Verbunde) sind deutlich herausfordernder: Sie sind leicht, oft mehrlagig und materialheterogen. Das erschwert Sortierung, Waschen und Extrusion – und damit definierte Rezyklatqualitäten.
Für Flexpacks ist der Weg zu echten „Kreislaufströmen“ deshalb länger und komplexer – aber gerade hier werden in Zukunft enorme Mengen bewegt.
2. Qualität von Rezyklaten: Anforderungen und Grenzen
2.1 Was Qualität bei Rezyklaten bedeutet
Qualität ist bei Rezyklaten mehrdimensional. Wichtige Parameter sind u. a.:
- Optik: Farbe, Transparenz, Schwarzanteile, Punktverunreinigungen
- Geruch: Geruchsneutralität bzw. akzeptable Geruchsschwelle
- Mechanik: Zugfestigkeit, Dehnung, Schlagzähigkeit, Gelpartikel
- Verarbeitung: Schmelzindex (MFR), Viskosität, Stabilität im Prozess
- Regulatorik: Eignung für Lebensmittelkontakt oder Non-Food-Anwendungen
Die Herausforderung: Schwankungen im Input und in den Sammelsystemen spiegeln sich im Rezyklat wider. Rezyklate sind naturgemäß variabler als Neuware. Das erfordert klare Spezifikationen, Vereinbarungen und Prüfkonzepte – insbesondere, wenn sie in Verpackungen mit hohen Sicherheits- und Markenansprüchen eingesetzt werden.
2.2 Lebensmittel vs. Non-Food
Streng zu unterscheiden ist zwischen:
- Lebensmittelkontaktverpackungen mit besonders hohen Anforderungen an Reinheit, Rückstände, Barriereeigenschaften und Migrationsverhalten sowie
- Non-Food-Verpackungen, bei denen mehr Freiheitsgrade bestehen, aber dennoch Geruch, Optik und mechanische Eigenschaften stimmen müssen.
Für Lebensmittelkontakt sind je nach Materialstrang spezifische regulatorische Vorgaben (EFSA-Bewertung, EU-Verordnungen zu recycelten Kunststoffen) zu beachten. Für Non-Food gibt es mehr Spielraum, aber auch hier steigt der Druck durch Marken und Handel, klare Qualitätslevel für Rezyklate festzulegen.
2.3 Qualität messbar machen – Rolle unabhängiger Prüfpartner
Im Webseminar wurde deutlich, dass viele Unternehmen Rezyklate noch „zu wenig systematisch“ charakterisieren. Empfohlen werden:
- Standardisierte Prüfpläne (Mechanik, Thermik, Barriere, Geruch)
- Regelmäßige Qualitätsscreenings bei Chargenwechseln
- Vergleich von Rezyklaten unterschiedlicher Herkunft (PCR vs. PIR, unterschiedliche Recycler)
Solche Prüfungen – etwa im Rahmen eines systematischen Programms wie Innoform InnoLoopCheck – helfen, Risiken zu minimieren und zugleich die Chancen hochwertiger Rezyklate besser zu nutzen.
3. Regulatorische Weichenstellungen: PPWR, nationale Systeme und Branchenstandards
3.1 Europäische Vorgaben – mehr Rezyklat, höhere Recyclingfähigkeit
Die geplante EU-Verpackungsverordnung (PPWR) und flankierende Initiativen zielen auf:
- Verbindliche Rezyklateinsatzquoten, zunächst in ausgewählten Segmenten
- Recyclingfähigkeit als Standardanforderung an Verpackungsdesign
- Verbesserte Sammel- und Sortiersysteme auf nationaler Ebene
Für Unternehmen bedeutet das: Rezyklateinsatz und Design for Recycling sind nicht mehr „Nice-to-have“, sondern werden zu klaren Compliance-Themen und Wettbewerbskriterien.
3.2 Nationale Regulierung und Mindeststandards
Auf nationaler Ebene (z. B. in Deutschland über das Verpackungsgesetz und die ZSVR-Mindeststandards) wird definiert, was als „recyclingfähig“ gilt. Das wirkt unmittelbar auf:
- Materialauswahl und Verbundstrukturen
- Einsatz von Additiven, Farben und Barrieren
- Möglichkeiten für Rezyklateinsatz in bestimmten Applikationen
Die Botschaft des Webseminars: Wer Verpackungen entwickelt oder verantwortet, muss regulatorische Anforderungen früh im Projekt berücksichtigen – sonst drohen später kostenintensive Redesigns oder Einschränkungen im Vertrieb.
4. Handlungsempfehlungen für Verpackungsentwickler und Entscheider
Aus den Diskussionen im Webseminar lassen sich zentrale Empfehlungen ableiten:
- Materialströme kennen:
Verstehen Sie, aus welchen Sammelsystemen Ihre Ziel-Rezyklate kommen und welche Sortier- und Aufbereitungsprozesse dahinterstehen. - Realistische Spezifikationen definieren:
Fordern Sie von Rezyklatlieferanten definierte Eigenschaften – aber bleiben Sie realistisch. Rezyklate werden nie identisch zu Neuware sein, sondern benötigen angepasste Spezifikationsfenster. - Design for Recycling konsequent umsetzen:
Vereinfachen Sie Strukturen, vermeiden Sie unnötige Materialvielfalt und denken Sie schon beim Design daran, in welchen Materialstrom Ihre Verpackung später fließen soll. - Regulatorik aktiv managen:
Beziehen Sie PPWR, nationale Vorgaben und Lebensmittelkontaktregelungen früh in Entscheidungsprozesse ein. Compliance ist Chefsache und ein zentrales Projektrisiko. - Qualität regelmäßig prüfen:
Nutzen Sie unabhängige Prüflabore, um Rezyklate und daraus hergestellte Folien systematisch zu bewerten – z. B. hinsichtlich Mechanik, Barriere, Geruch und Migration. - Eng mit Recyclern und Konvertern zusammenarbeiten:
Gute Rezyklate entstehen im Dialog: Je klarer Anforderungen kommuniziert werden, desto besser können Recycler ihre Prozesse ausrichten.
5. Fazit: Rezyklate als strategisches Element moderner Verpackungskonzepte
Rezyklate und Recyclingprozesse sind nicht mehr Randthemen, sondern zentrale Bausteine zukunftsfähiger Verpackungsstrategien. Der Wandel der Materialströme, steigende Qualitätsanforderungen und ein sich verdichtender regulatorischer Rahmen zwingen Unternehmen, sich deutlich intensiver mit Rezyklaten auseinanderzusetzen.
Wer frühzeitig Know-how aufbaut, seine Lieferketten versteht und Qualität systematisch absichert, kann Rezyklate als Chance nutzen – für nachhaltigere Verpackungen, neue Geschäftsmodelle und eine stärkere Position im Markt.
Innoform Coaching begleitet Sie mit Webseminaren, Konferenzen und Seminaren bei diesem Transformationsprozess. Gemeinsam mit dem Innoform Testservice und Programmen wie InnoLoopCheck schaffen wir Transparenz über Rezyklatqualitäten und unterstützen Sie auf dem Weg zu wirklich kreislauffähigen Flexpack-Lösungen.
Dazu bieten wir im Sommer auch unsere erste Tagung Inno-Circle an innoform-coaching.de/tagung/inno-circle-umweltgerechte-flexpacks-2026:

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