Wann gilt eine Verpackung als Mehrweg?

Wiederverwendung im Fokus der PPWR

Die EU-Verpackungsverordnung (PPWR) stellt die Branche vor eine zentrale Frage: Wann gilt eine Verpackung künftig tatsächlich als Mehrweg – und welche Anforderungen sind daran geknüpft?
Im Inno-Talk wurden dazu die wichtigsten Punkte rund um den Begriff „Wiederverwendung“ beleuchtet. Dieser Blogbeitrag fasst die Kernaussagen verständlich zusammen und ordnet sie für die Praxis ein.


Wiederverwendung statt „Mehrweg“ – die Begriffswelt der PPWR

Im Alltag sprechen wir von „Mehrweg“, die PPWR arbeitet hingegen mit dem Begriff „Wiederverwendung“.
Gemeint ist: Eine Verpackung muss so gestaltet sein, dass sie mehrfach genutzt werden kann – und zwar im Rahmen eines geregelten Kreislaufsystems.

Damit rückt die Verordnung unser gängiges Verständnis von Mehrweg auf eine präzisere, rechtlich relevante Ebene:
Nicht jede robuste Verpackung ist automatisch Mehrweg im Sinne der PPWR. Sie muss in ein System eingebunden sein, das Wiederverwendung tatsächlich ermöglicht und dokumentiert.


Grundvoraussetzung: Mehr als einen Kreislauf überstehen

Die erste, scheinbar einfache, aber entscheidende Frage lautet:
Inwiefern kann eine Verpackung mehr als einen Nutzungs- und Rückführungszyklus überstehen?

Daraus ergeben sich konkrete technische Anforderungen:

  • Die Verpackung muss mechanisch stabil genug sein, um mehrere Umläufe ohne relevante Schäden zu überstehen.
  • Funktionale Eigenschaften (z. B. Dichtheit, Barriere, Handhabbarkeit) müssen über die vorgesehene Zahl der Kreisläufe erhalten bleiben.
  • Reinigung, Trocknung und gegebenenfalls Neulabelung dürfen die Verpackung nicht unzulässig schwächen.

Diese Robustheit ist eine grundlegende Voraussetzung, damit eine Verpackung als wiederverwendbar bzw. als Mehrweg im Sinne der PPWR gelten kann.


Von „oder“ zu „und“: Rezyklatquoten gelten auch für Mehrweg

Ein besonders wichtiger Punkt: In einer früheren Fassung der Regelungen hieß es sinngemäß, Verpackungen müssten entweder recyclingfähig oder wiederverwendbar sein.
Dieses „oder“ wurde inzwischen deutlich verschärft.

Heute gilt:
Auch wiederverwendbare (Mehrweg-)Verpackungen unterliegen den Vorgaben zu Rezyklatanteilen und Quoten, die für Einwegverpackungen vorgesehen sind.

Das hat mehrere Konsequenzen für die Praxis:

  • Mehrweg ist kein „Freifahrtschein“, um Rezyklatquoten zu umgehen.
  • Design for Recycling bleibt auch bei Mehrweg essenziell.
  • Materialauswahl und Systemgestaltung müssen sowohl Wiederverwendung als auch Recycling am Lebensende berücksichtigen.

Die PPWR denkt also Kreislaufwirtschaft ganzheitlich – vom Mehrwegkreislauf bis zur finalen stofflichen Verwertung.


Zukünftige Mindestanzahl an Umläufen – noch offene Fragen

Ein weiterer Aspekt, der im Inno-Talk angesprochen wurde:
In Zukunft könnte es für bestimmte Produktbereiche eine vorgeschriebene Mindestanzahl an Wiederverwendungszyklen geben.

Das wirft Fragen auf:

  • Wie wird ein „Kreislauf“ eindeutig definiert und dokumentiert?
  • Welche Mindestzahlen gelten für welche Segmente (z. B. Getränke, To-go-Verpackungen, Transportverpackungen)?
  • Wie wird mit Beschädigungen, Verlusten oder vorzeitigem Aussortieren umgegangen?

Diese Punkte sind aktuell noch mit Unsicherheiten behaftet. Klar ist jedoch:
Wer heute neue Mehrwegsysteme entwickelt, sollte realistische, aber ambitionierte Zielgrößen für die Umlaufzahl einplanen und entsprechende Prüf- und Monitoringkonzepte mitdenken.


Technische Anforderungen: Entleerung und Wiederverwendung ohne Schäden

Die PPWR verlangt zudem, dass Entleerung und Wiederverwendung „ohne wesentliche Beschädigung“ möglich sein müssen.
Dahinter stehen praktische Fragen:

  • Lässt sich die Verpackung vollständig entleeren, ohne dass sie verformt, aufgerissen oder anderweitig geschädigt wird?
  • Bleiben Verschlüsse, Griffe, Tragehilfen, Etiketten und funktionale Elemente über mehrere Zyklen funktionsfähig?
  • Sind Reinigung und Handling in der Praxis prozesssicher und wirtschaftlich umsetzbar?

Damit wird deutlich:
Mehrweg ist nicht nur ein Materialthema, sondern ein Systemthema – von der Geometrie über Verschluss- und Etikettendesign bis hin zu Logistik und Rückführung.


Beispiel Flasche: Einweg-Deckel vs. Mehrweg-Konzept

Ein anschauliches Beispiel liefert der Blick auf Flaschen und ihre Verschlüsse:

  • Bei Einwegverpackungen sind Deckel heute oft fest mit der Flasche verbunden (tethered caps), um Verluste zu vermeiden und das Recycling zu sichern.
  • Bei Mehrwegflaschen ist das nicht zwingend der Fall. Hier kann ein abnehmbarer Deckel Sinn machen, weil die Flasche im System gereinigt und neu befüllt wird, während Deckel separat gehandhabt oder ausgetauscht werden.

Genau solche Unterschiede im Konzept finden sich in der Regulierung wieder.
Es zeigt sich: Die PPWR unterscheidet sehr genau zwischen den Systemlogiken von Einweg und Mehrweg – und das muss sich im Verpackungsdesign widerspiegeln.


Was bedeutet das für Marken, Konverter und Systembetreiber?

Aus den im Inno-Talk diskutierten Punkten lassen sich einige Leitlinien ableiten:

  • Frühzeitig planen: Mehrweg- und Einwegportfolios sollten strategisch getrennt gedacht, aber regulatorisch gemeinsam geprüft werden.
  • System vor Einzelverpackung: Mehrweg nur dann einführen, wenn ein tragfähiges Rücknahme-, Reinigungs- und Dokumentationssystem existiert oder aufgebaut werden kann.
  • Design for Reuse & Recycling kombinieren: Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen gemeinsam optimiert werden.
  • Regulatorik beobachten: Entwicklungen zu Mindestumlaufzahlen und detaillierten Pflichten sind dynamisch – Monitoring und regelmäßige Überprüfung der eigenen Konzepte sind Pflicht.

Fazit: Mehrweg nach PPWR – genauer hinsehen lohnt sich

Der Begriff „Mehrweg“ wird durch die PPWR deutlich geschärft.
Wiederverwendung bedeutet künftig nicht nur robuste Verpackungen, sondern klar definierte Systeme, dokumentierte Umläufe und die Einhaltung von Rezyklat- und Recyclinganforderungen.

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